Grundlagen für einen ordentlichen Zweitaktmotor

Leider haben die Zweitaktmotoren einen unbegründeten schlechten Ruf was Haltbarkeit und Zuverlässigkeit betrifft, welcher hauptsächlich aus Fehlern beim Zusammenbau resultiert. Nachdem wir keinen einzigen "ordentlichen Fremdmotor" bis jetzt auf die Werkbank bekommen haben, haben wir uns entschlossen, dem ambitionierten Zweitaktschrauber hier zwei grundlegende Tipps mitzugeben, welche das Zweitaktleben erheblich vereinfachen und teuere Reparaturen ersparen.

Ob man nun einen Motor neu aufbaut (einen ordentlichen mechanischen Aufbau des Motor setzen wir an dieser Stelle einfach mal voraus) oder ein lang gestandenes Schätzchen wieder in Betrieb nimmt, eines kann nie schaden:


1. LEAK DOWN TEST

Was ist das? Was bringt das?

Die grundlegende Funktion eines Zweitaktmotors sollte Jemanden der an so etwas herumschraubt ja bekannt sein. Nachdem die Schmierung und auch die Kühlung des Motors zu großen Teilen übers Gemisch erfolgt wirken sich Undichtigkeiten beim Zweitaktmotor erheblich stärker aus als beim Viertakter. Genau diese "Luftlecks" gilt es zu vermeiden, dann währt die Freude mit dem Motor deutlich länger. Wir haben den Leak Down Test Kit der Fa. Motion Pro in Verwendung.  https://www.motionpro.com/product/08-0071

In diesem Kit sind zahlreiche Adapter enthalten die sich so ziemlich an alle Motoren anpassen lassen. Natürlich ist das eine massive Investition, hochgerechnet auf einen einzigen Motorschaden relativiert sich die ganze Geschichte wieder.

Wie geht man vor?

Man baut den Motor zusammen und achtet dabei peinlichst genau auf den Zustand der Dichtflächen und der "dichtenden Medien" z.B. Ansaugstutzen. Je nach verwendeter Dichtmassen lässt man diese länger oder kürzer aushärten. Anschliessend wird der Motor "zugestoppelt", d.h. Auslass wird abgedichtet, Kerze eingeschraubt und in den Ansaugstutzen kommt der Adapter über welchen der Druck zugeführt wird. Je nach Ausführung der Kurbelwelle (Labyrinthdichtung) kann es notwendig sein, sämtliche Zylinder zu verschliessen. Klassisches Beispiel ist die Yamaha RD350. Bevor man loslegt sollte man sich noch ein Lecksuchspray im örtlichen Baumarkt besorgen, denn ziemlich sicher ist der Motor nicht von Haus aus dicht. Mit dem Lecksuchspray bewaffnet setzen wir den Motor unter Druck. Bitte nicht mit dem Kompressor, ein kleiner Blasebalg reicht völlig, 5 Psi bzw. ein halbes Bar sind vollkommend ausreichend. Anschliessend beoabachten wir den Druckverlust. Sobald wir Druck verlieren begeben wir uns mit dem Lecksuchspray auf Suche. Dort wo wir dann Blasen ausmachen können müssen wir dementsprechend nachbessern. Irgendwann haben wir einen Zustand erreicht an dem der Motor idealisiert keinen Druck mehr verliert oder in 5 Minuten max. 1 PSI verliert. Bei wassergekühlten Motoren haben wir dann auch die Gewissheit das aus dem Kurbelwellengehäuse inkl. Brennraum kein Druck ins Kühlsystem kommt, somit hier keine Lecks vorhanden sind. Bei Motocrossmotoren gibt es bei den Auslasssteuerungen oft ein Ölabscheidesystem (meistens ein Schlauchanschluss irgendwo im Bereich des Auspuffes), diesen müssen wir beim Leak Down natürlich verschliessen.

Und dann? Dann läuft das! Wenn das Vergaser- und das Zündungssetting passt, läuft der Motor. Die Gefahren durch Nebenluft sind ausgeschlossen und man kann sich auf das Abstimmen konzentrieren!

2. EGT

Nachdem wir Schritt eins durchgeführt haben wird das Motorrad laufen, mehr oder weniger perfekt. Bei Originalmotorrädern kann man davon ausgehen, das Originalsetting der Vergaser ist eher auf der fetten Seite angesiedelt. Hat man also nichts verändert (Auspuffanlage, Zündung, Vergaser) kann man an diesem Punkt aufhören zu lesen und sein Fahrzeug genießen.

Hat man jedoch die Zylinder bearbeitet, andere Vergaser, die Zündanlage verändert oder eine andere Auspuffanlage montiert dann stellt man sich häufig die Frage nach der richtigen Abstimmung. Hier kommt unser zweiter grundlegender Tipp als Hilfestellung gerade recht.

EGT heist das Zauberwort, also Exhaust Gas Temperatur oder einfach Abgastemperatur. Unsere Empfehlung auf diesem Sektor fällt auch nicht in den Bereich der Occassionen, jedoch ist ein schnelles Reagieren und die Haltbarkeit der Sensoren ein großes Thema.

Wir verwenden fasst ausschließlich das System der Firma S.P.A. DESIGN  http://www.spa-uk.co.uk/Product/EGTEGT%20Gauge%20(DG222)

Dieses Messgerät setzen wir hauptsächlich bei Zweizylinder ein, haben es aber auch schon in Vierzylindern (2Stk) und in Einzylinder verwendet (Kombiniert mit z.B. Wassertemperatur). Das Messgerät reagiert sehr schnell bei Temperaturänderungen, hat bei Temperaturüberschreitung mehrere Eskalationsstufen und vor allem halten die Sensoren deutlich länger als bei Marktbegleitern.

Was sagen uns die Anzeigen?

Hier kommt ein wenig Erfahrung ins Spiel. Leider ist dies keine absolute Wissenschaft und die nachfolgenden Werte kann man nur unter Berücksichtigung der angeführten Sensorplatzierung als Orientierungshilfe heranziehen. Die Sensoren sollten im Abstand von ca. 9 - 14cm vom Kolbenhemd platziert werden und zwar so das die Spitze des Sensors möglichst mittig im Abgasstrom sitzt. Verwendet man andere Systeme, Sensoren oder eine andere Platzierung sind die unten angeführten Orientierungshilfe NUTZLOS!!

Sobald das System in Betrieb ist (ein dichter Motor vorausgesetzt) kann man schon die Synchronität des Standgases anhand der Temperatur ablesen. Weicht die Temperatur eines Zylinders mehr als 40 Grad von einem oder mehreren anderen Zylindern ab muss man entweder an der Standgasschraube nachbessern oder die gleiche Einstellung der Gemischregulierungsschraube an allen Zylindern kontrollieren. Auch bei neuen Motoren oder Motoren welche lange gestanden sind (z.B. am Seitenständer) können die Temperaturen unterschiedlich sein, nach einer Fahrt jedoch sollten die Temperaturen im Standgas annähernd gleich sein.

Typische Werte fürs Standgas sind 130° C (ohne Luftfilter, fette Seite) bis 220° C (ziemlich original, mit Luftfilterkasten, Nebenluftsystem und magerer Abstimmung). Hat man Tipp 1 ausgelassen kann der Temperaturunterschied auch von Luftlecks kommen. In diesem Falle Motor abstellen, Tipp 1 durchführen und dann wieder starten.

Bei neuen Motoren mit ALU-Schmiedekolben empfehlen wir mindestens 3 Wärmezyklen (Motor mit wenig Drehzahl anwärmen bis Wasser ca. 65-70°C hat und dann wieder vollständig abkühlen lassen) und anschließendes schonendes Einfahren (ca. 20min) bevor man richtig Feuer gibt. Bei ALU-Gusskolben und auch bei luftgekühlten Motoren empfehlen wir eine Einfahrzeit von min. 500km.

Im mittleren Drehzahlbereich sollten sich dann Abgastemperaturen (natürlich je nach Gasgriffstellung, Motorbetrieb etc..) um die 450° C ergeben, welche natürlich massiv schwanken. Hat man jedoch bei 7000 U/min und ca. 75% Gasöffnung eine Temperatur von 550°C - 600°C dann ist die Mitte zu mager. VORSICHT: beschleunigt man den Motor mit 15% Gasöffnung können sich oben genannte Temperaturen einstellen und sind durchaus im Bereich des verträglichen.

Bei Vollast ist die EGT ein gut interpretierbares Werkzeug. Grundsätzlich steigt die Abgastemperatur an, erreicht man jedoch den "Gipfel" des Berges (optimales Verhältnis zwischen Fett und Mager) beginnt sie beim Abmagern des Motors wieder zu fallen und ein Motorschaden ist vorprogrammiert. Was heist das jetzt genau? Beim Einstellen tasten wir uns (immer bei Vollgas) von unten an die Maximaltemperatur heran. Bei "fettem" Setting setzen wir an einem Punkt an dem die Temperatur nur mehr gering ansteigt einen optischen Alarm am Anzeigegerät (das Gerät speichert den maximal erreichten Wert). Dann ändern wir die Hauptdüse geringfügig in Richtung mager und wiederholen die Prozedur. So lange die Temperatur steigt können wir den Alarmpunkt immer wieder nach oben korregieren. Natürlich ist dafür ein Prüfstand ein feines Werkzeug und erleichtert die Arbeit massiv. Bei großen Einzelhubräumen (250 - 300cc) würden wir bei einer maximalen Abgastemperatur von 600°C vorsichtig werden, bei kleineren Einzelhubräumen (z.b. 125cc) erst bei 650°C. Unsere Rennmotoren verkraften kurzzeitig auch 700°C. Bei Straßenmotoren würde ich jedoch 650°C als Maximum ansetzen.